RAGE 2 · Test
Veröffentlicht am 16.05.2019 von Andreas Erber
Wutattacke die Zweite
Rage 2 ist nach einer langen Durststrecke endlich erschienen! Bereits beim ersten Ableger, der 2001 auf den Markt kam, konnte das Entwicklerteam von id Software mit Sitz in Texas beweisen, wie ein Open World Spiel mit Shooter- und Rennspielelementen auszusehen hat. Mit Rage trafen sie damals genau den richtigen Nerv für Actionfans und dennoch wurde es im Nachhinein ziemlich ruhig um das spezielle, neue Setting. Doch mit den Zweifeln ist jetzt Schluss! Der zweite Teil verspricht eine ernstvolle Weiterentwicklung zu sein. Das sollte eigentlich, in Anbetracht der vielen vergangen Jahre, kein Kunststück sein. Doch damit dieses Kunststück auch wirklich glänzt wurden für Rage 2 zusätzlich die schwedischen Entwickler der Avalanche Studios hinzugezogen. Dieses Team war bereits für erfolgreiche Titel wie "Just Cause 4" oder "Mad Max" verantwortlich. Besonders mit "Mad Max" lässt sich Rage 2 sehr gut vergleichen, da auch darin die Mischung zwischen Autofahrten und Bodenkampfhandlungen äußerst gut gelungen ist. Eine Sache haben alle bisher genannten Titel gemein. Sie sind alle zusammen reine Singleplayer-Spiele. In Zeiten wie diesen haben es Einzelgänger nicht gerade leicht, da die Zockerszene mit Multiplayer und Onlinezwang geradezu überhäuft wird.
Kann Rage 2 es schaffen die auf sich allein gestellten Gamer in den Bann zu ziehen, um das befeindete Ödland komplett zurückzuerobern oder fällt der Spannungsbogen zu früh ab?
Walker ist der letzte überlebende Waldläufer
Die Welt wurde von Asteroiden getroffen und die Menschheit wurde zur Gänze ausgelöscht. Eine Katastrophe für die Bewohner des Ödlandes, da von nun an Mutanten die kahlen und teils komplett zerstörten Städte und Straßenzüge besetzen. Jede Hinsicht auf Hoffnung wurde von Wut und Besessenheit überschattet. Während neue Siedlungen und Fraktionen entstanden, bildete sich eine neue Militärmacht namens Authority. Sie waren auf der Suche nach wertvollen Nanotechnologien, um die grausame Diktatur zu stärken und weiter auszubauen. Ein wahrliches Chaos braute sich im trostlosen Ödland zusammen. Doch dann kam Walker. Der letzte überlebende Waldläufer in dieser Gott verlassenen Landschaft. Walker war gekommen, um der boshaften Herrschaft endgültig ein Ende zu setzen. Doch kann Walker die besetzten Lager befreien? Nicht zu vergessen wären da auch noch die bereits genannten, fiesen Mutanten. Auch als Feinde unserer Feinde zu beschreiben. Denn diesen Zustand kann Walker teilweise zu seinem Vorteil nutzen. Gerade in überstarken Kampfeinlagen, dienen Mutanten perfekt als Ablenkungsmanöver. Walker nutzt jede neuerlernte Fähigkeit. Es gibt also doch noch Hoffnung im Chaos!
Gameplay & Steuerung
Gleich zu Beginn, nachdem ihr euch für ein Geschlecht entschieden habt, bekommt ihr eure erste Waffe in die Hand. Auch wenn es sich anfangs nur um eine einfache Pistole handelt, spüren wir schnell, wie gut sich das feinfühlige Aiming anfühlt und wie cineastisch die Action in Szene gesetzt wird. Äußerst positiv fällt mir direkt das Trefferfeedback auf, denn Gegner reagieren besonders realistisch auf Walkers Treffer. Ein kleiner Tipp: Erfahrenen Ego-Shooter Fans wird schnell auffallen, dass die Empfindlichkeitsstufe der X- und Y-Achse nicht ausbalanciert ist. Die Y-Achse solltet ihr zumindest testhalber nach oben, auf 35%, stellen. Das erleichtert im Normalfall das Zielen enorm. Nach einer kurzen Einweihung in die intuitive und einfach gehaltene Steuerung bekommt ihr zeitnah ein cooles Fahrzeug namens Phönix, welches mit 2 starken Feuergeschützen bestückt ist. Damit seid ihr auch unterwegs gut für Straßenkämpfe ausgestattet. Missionen und Aufgaben sind vielzählig vorhanden und bieten den notwendigen Reiz immer mehr und mehr entdecken zu werden, doch leider ist das Ödland, trotz der bewusst gewählten Umgebung, ein wenig zu leblos. Es gibt bis auf ein paar vereinzelte Gegner und Mutanten kaum Leben oder Aktivitäten auf den Straßen. Selbst Fahrzeuge suchte ich meist vergebens. Das ist besonders dann ärgerlich, wenn ihr euer Fahrzeug verloren oder zerstört habt. Zur Not gibt es Reisepunkte, welche sich allerdings nur zu großen Städte aktivieren lässt und diese sind einfach zu weit auseinander. Praktisch wäre es, wenn der Spieler sein Fahrzeug einfach durch eine Airdrop-Lieferung, ähnlich wie in "Just Cause 4", erhalten könnte. Im späteren Spielverlauf kann Walker immerhin eine Art Riesenflugdrohne steuern, mit der ihr euch wesentlich schneller durch die weitläufigen Gebiete bewegen könnt.
Im einer der ersten Missionen gilt es in eine verwinkelte Kanalisation einzudringen, um dessen Boss-Gegner zu erledigen. Auf normaler Schwierigkeitsstufe bereiten uns die meisten Gegner auf dem Weg dorthin kaum Probleme und selbst der Zwischenboss ist relativ schnell zu knacken. Somit sollten erfahrene Spieler unbedingt eine höhere Stufe auswählen, um der Gegner-KI nicht von Anfang an den Rücken zu kehren. Doch was steckt genau hinter der eher einfachen Gegner-KI? Flankieren ist in diesem Shooter eher ein Fremdwort. Die Bewegungsabläufe der Gegner sind einerseits zwar sehr aktiv gehalten, doch im Grunde halten sie ihre Stellungen nur zu gern und verharren an ihren Plätzen. Ihr müsst also immer ein paar Schritte nach vorn wagen, um zumindest vereinzelte Gegner hinter ihren Barrieren hervor zu locken. Nur selten passiert es, dass ein Gegner uns mit einem Frontalangriff überrascht. Gerade in einem Singeplayer-Spiel sind verschiedenste Aktivitäten ein wichtiges Grundelement, um vor der Langeweile einen großen Bogen ziehen zu können. Sollten euch die Gegner doch mal schweren Schaden zufügen, hilft die gute, alte Erste-Hilfe Spritze, die ihr übrigens bei den Händlern auf Vorrat erwerben könnt. Witzig dabei ist, dass manche Händler sogar mobil in der Spielwelt umherfahren. Stoppen lassen sich die Handlungsreisenden, in dem ihr die Hupe mit der L3-Taste betätigt.
Spannend sind die erweiterbaren Fähigkeiten. Mit einem Druck auf die L1-Taste lassen sich bis zu 4 verschiedene Fähigkeiten auswählen, welche aufgewertet werden können. Mit der Kombination L1+Kreistaste kann eine praktische, durchsichtige Barriere aufgestellt werden. Praktisch, wenn ihr euch gerade auf einem offenen Feld ohne Deckungsmöglichkeiten befindet. Die Fähigkeit "Zerschmettern" ist beispielsweise im Nahkampf sehr effektiv und katapultiert euren Gegner im hohen Bogen durch die Luft. Falls euch die Gegnerhorden fast schon überrennen hilft nur noch der Overdrive, welcher mit L1+R1 ausgelöst werden kann. In dieser Phase habt ihr extra mehr Power und Schusskraft, gleichzeitig wird mit Kopftreffern eure Lebensenergie aufgefüllt, sofern ihr diese nutzvolle Fähigkeit freigeschaltet habt. Nanotritenverstärker machen diese Freischaltungen möglich, welche ihr ebenfalls gegen Bares beim Händler bekommt. Den Overdrive-Modus müsst ihr jedes Mal erneut auffüllen, in dem ihr das Totenkopfsymbol durch eine möglichst genaue Trefferquote auffüllt. In Kombination mit Doppelsprüngen und weiteren coolen Kampf-Moves bietet Rage 2 eine breite Palette an Herangehensweisen wie ihr besetzte Gebietet säubern könnt. Mit einer geschickten Taktik befördert ihr somit eure Gegner in kürzester Zeit ins Jenseits.
Neben Nanotriten-Fähigkeiten und Spezialwaffen, wie einem coolen, tödlichen Bumerang, gehören auch Projekte von Verbündeten zur Tagesordnung. Sobald ihr mit Walker bestimmte Operationen erledigt habt, könnt ihr Punkte sammeln, die ihr wiederum in Verbesserungen einlösen könnt. Beispielsweise können, durch das Freischalten des Upgrades "Lagerkisten-Tracking", auf der Karte alle Geld- und Feltrittruhen aufgedeckt werden. Feltrit benötigt ihr übrigens für Waffenupgrades. Spätere Operationen werden erst durch ein höheres Level euer selbst freigeschaltet.
Dank der vielen erweiterbaren Fähigkeiten und Verbesserungen erhält der Spieler den Drang abenteuerlustig zu werden. Genau das wollen die Entwickler den Spielern vermitteln, denn das Grundelement des Spiels ist auf die Art des Tötens und Entdeckens ausgelegt. Erinnert schon fast ein wenig an das Spiel "Bulletstormt", in dem ihr eure Charaktere durch einen kräftigen Fuß-Kick auch mal gegen ausgewachsene Kakteen fliegen lässt.
Grafik & Sound
Egal ob es Walker in die Zerklüftete Prärie oder in die Dünensee Region verschlägt. Die Grafik glänzt in jeder Hinsicht. Karge, unwegsame Wüstengebirge sowie neon-pinke Gassen in den diversen Hauptstädten zeigen die starke Grafikpracht. Selbst dunkle, düstere Gebiete werden sehr gut in Szene gesetzt und laden zum genaueren Erkunden ein. Waffen aller Art werden extrem detailliert dargestellt und Charaktere wirken zum Greifen nahe. So wird auch der Bummel durch Dörfer und Städte zum Erlebnis. Nur leider wird das Leben zu stark in geballte Zonen eingegrenzt. Positiv anmerken möchte ich die Sichtfeld-Einstellung in den Grafikoptionen. Diese wird nur selten in Spielen angeboten und verleiht im Spiel eine bessere Übersicht, sofern der Regler nach oben geschoben wird. Auch die Fahrzeuge sehen fantastisch aus und machen selbst in hektisch, schnellen Wettrennen eine gute Figur und das alles obwohl die Auflösung die 4K Marke nicht erreichen kann. Mit 1080p und 60fps macht eine daraus entstehende, flüssige Darstellung laut den Entwicklern von id Software einfach mehr Sinn. In Shootern hat eine hohe Framerate einfach Priorität. Von der "nur" Full-HD Auflösung erhalten Spieler des Titels jedoch in keinerlei Hinsicht Abstriche. Wo doch die Action hier deutlich im Vordergrund steht!
In den Vordergrund kämpft sich auch der derbe Soundtrack zusammen mit den fetzigen Soundeffekten. Kopftreffer tun in Rage 2 bereits beim Zuhören weh und die passend gewählten Soundtracks geben euch den nötigen Adrenalinkick. Harte Elektrogitarren gemeinsam mit klar gesetzten Bass-Beats geben dem Spieler ein Gefühl voller Wut, Chaos und Kampfgeist.
Fazit
Rage 2 bietet Actionfans ein wahres Feuerwerk und dank des bereits geplanten Content-Kalenders versprechen die Entwickler den Titel zukünftig mit vielen Updates und Inhalten am Leben zu halten. Doch kann dies ohne jegliche Art von Mehrspieler-Modi überhaupt funktionieren. Laut Entwicklern wird bereits genug Spiel geboten und somit für einen Multiplayer kein Platz mehr gewesen wäre. Sicher wäre ein Co-op Modus eine spannende Erfahrung für die Rage Serie gewesen, doch bin auch ich der Meinung, dass dadurch der Spieler das bedrohliche Gefühl eines Einzelkämpfers verlieren würde. Schon beim Anspielen wird bewiesen, dass die Vielzahl an Missionen und coolen Aufwertungen uns auch im Alleingang immer wieder an die Spielekonsole ziehen werden. Shooter- und Actionrennfans haben sich Rage 2 schon lange gewünscht. Wer mit "Just Cause 4", "Mad Max" und "Bulletstorm" bereits seinen Spaß hatte wird mir Rage 2 mit Sicherheit nichts falsch machen. Jetzt seid ihr an der Reihe dem Chaos die Stirn zu bieten.
Pro
- knallharte Action mit wahnwitzigen Waffeneinsatz
- großzügige Open-World-Map mit vielen unterschiedlichen Aufgaben
- Steuerung macht im Kampf und in Fahrzeugen jede Menge Spaß
- hilfreiche Fähigkeiten, die sich mit der Zeit freischalten lassen
- bunte und gleichzeitig realistisch wirkende Grafik
- Soundeffekte klingen bombastisch
Contra
- kein online Co-op oder Multiplayer Modus
- Spielwelt wirkt trotz vieler interessanten Gebiete viel zu leblos
- Balancing der Gegner ist teilweise unausgewogen und nur schwer einschätzbar
- Sammelobjekte sind aktiv aufgelistet und systematisch verteilt, was uns schnell langweilt
- Gegner-KI ist nur auf schwerer Schwierigkeitsstufe fordernd
- Rage Coins für kosmetische Gegenstände Ausrüstung und Inhalte, muss das sein?
Wertung
8.5 Sehr gut
Kaufempfehlung
95%Absoluter Pflichtkauf
Getestet wurde RAGE 2 auf PS4 von Andreas Erber. Das Spiel lag uns zum Zeitpunkt von unserem Test in Version 1.02 vor. Das Test Exemplar / der Review Code für RAGE 2 wurde uns von Bethesda Softworks kostenlos zur Verfügung gestellt. Vielen Dank!